Mein Debütroman ist nicht das erste Buch, das ich geschrieben habe. Vor ihm habe ich eine Trilogie verfasst, die ebenfalls in Gorrae spielt. Hier möchte ich ein wenig davon erzählen, weshalb ich die Trilogie nicht zuerst veröffentlicht habe und weshalb ich mit dieser Entscheidung sehr glücklich bin.

Auch die Trilogie war nicht mein erster Versuch. Das Projekt „Wesp“, das vor Gorrae mein zweites zu Hause gewesen ist, war wohl mein erster richtiger Gehversuch mit Wörtern. Heute winde ich mich gequält beim Gedanken an die ungefähr dreißig Hauptpersonen und den verworrenen Plot, der düsterer war als alles, was ich bisher geschrieben habe. 
Ich denke mal, dass jeder Autor so ein Projekt hat oder hatte und es vielleicht auch braucht, um Erfahrungen zu sammeln. Als ich 2017 „Wesp“ abgebrochen habe, wollte ich mein nächstes Projekt unbedingt „professionell“ angehen. Ich habe viel Zeit mit dem Worldbuilding von Gorrae verbracht, Konzepte durchgezogen, Schreibseminare wahrgenommen, mich mit Charakterentwicklung beschäftigt und nicht die erstbeste Idee genommen, die mir in den Sinn kam. 

Wenn ich eine Schreibblockade habe, starte ich gerne ein neues Projekt und für mich funktioniert das sehr gut. „Sanzibor“ war ein solches Nebenprojekt, das ich begonnen hatte, als es mit der Trilogie nicht vorwärts ging. Eine Liebesgeschichte sollte es sein, denn ich wurde für mangelnde Liebe in meiner Trilogie kritisiert. Es gab natürlich Liebe, aber kaum eine war romantischer Natur und ich weigerte mich sie in irgendeiner Art „zu Ende“ zu bringen. Die Herausforderung gefiel mir und ich hatte großen Spaß beim Schreiben, denn ich kannte mich in Gorrae hervorragend aus. Die Regeln und Details, die ich mir beim Schreiben der Trilogie mühsam herleiten oder zehn Mal in meinen Unterlagen nachschlagen musste, waren mir in Fleisch und Blut übergegangen. Ich konnte Wege einschlagen, die ich in der Trilogie nicht gehen konnte. „Die Lehre des Sanzibor“ zu schreiben, war eindeutig das Leichtestes an der Veröffentlichung. 

Es dauerte auch eine ganze Weile, bis mir der Gedanke dämmerte, dass ich die Trilogie, so wie sie war, nicht veröffentlichen wollte. Die ersten beiden Teile habe ich ungelogen zwanzig Mal überarbeitet und sie wurden sogar schon von Testlesern inspiziert. Aber je länger ich mich mit der Materie des Schreibens und der Buchveröffentlichung beschäftigte, umso größer wurden meine Ansprüche und ich wusste irgendwann, dass ich mehr aus der Trilogie rausholen kann und will. Mit unendlich viel Arbeit. Aber ich hatte so intensiv auf die Buchveröffentlichung und das Selfpublishing hingearbeitet, ich wollte nicht noch ein Jahr oder mehr mit der Überarbeitung eines verschachtelten 380.000 Wörtern Fantasy Plots verbringen. Ich brauchte Abstand zu dem Projekt. Außerdem stößt man auf die ersten Stimmen, die einem dringend davon abraten, als Debüt den Auftakt eines Fantasy Mehrteilers zu veröffentlichen. Sicher funktioniert das für viele Autor:innen trotzdem, doch ich bin heilfroh, dass ich mich anders entschieden habe. Es war nichts destotrotz sehr wichtig für mich, die Trilogie zu einem runden Ende zu bringen, damit sie vollständig darauf warten kann, bis ihre Zeit gekommen ist.

„Die Lehre des Sanzibor“ ist mit 292 Seiten vergleichsweise kurz für eine High-Fantasy Geschichte und ich bin dafür sehr dankbar, denn schon das simple „noch mal sicherheitshalber alles durchlesen“ hätte für den ersten Teil der Trilogie doppelt so lange gedauert, vom Lektorat und Buchsatz mal ganz abgesehen. Es war auch so schon eine echte Herausforderung, neben einem anspruchsvollen Vollzeitjob, ein Buch zu veröffentlichen und den eigenen Ansprüchen irgendwie gerecht zu werden. Doch es hat unglaublich viel Spaß gemacht und ich werde es wieder tun.

Ich freue mich jetzt erst einmal sehr darauf, meine Erfahrungen als frisch veröffentliche Autorin zu sammeln, Leserstimmen zu hören, zu lernen und wieder Zeit fürs Schreiben zu finden. Das kam bei mir im letzten halben Jahr eindeutig zu kurz.

Sie ritten eine weite, flach abfallende Landschaft hinunter und in der Abenddämmerung konnten sie die Lichter einer Stadt erkennen. Und das Wahrzeichen Behemoths, das hinter den übrigen Gebäuden aufragte. Der Hexenturm. Der düstere Unheilbringer, der mit seiner tiefschwarzen Fassade und den geschwungenen Zinnen, die er wie eine Krone auf dem Haupt trug, einen unerbittlichen Schatten über die Stadt warf.

Die Lehre des Sanzibor – Eine Geschichte aus Gorrae
von Leslie Meilinger