Was machst du, wenn deine wertvollen Hexenkräfte plötzlich in einem gewöhnlichen Haushaltsstaubsauger feststecken?
„Lauf!“
Rosie
Rosenrot kills
Kapitel 1
Vom Fuß des Hügels stiegen Rauchwolken in einen malerisch blauen Himmel empor und die Schreie der Dorfbewohner wurden größtenteils vom Getrampel mächtiger Hufe übertönt. Rosie hämmerte wie wild auf ihrem Staubsauger herum.
„Mach schon, verdammte Scheiße!!“
„Rosie …“, kam es lang gezogen von Zenya, die mit verschränkten Armen neben ihr stand und der heranrasenden Bestie mit erhobenen Augenbrauen entgegenblickte. „Wird das noch was? Wir sind nämlich gleich Monsterfutter.“
„Hab`s gleich“, erwiderte die deutlich kleinere Frau und rüttelte vehement am Abzug des Staubsaugers. Das Schnauben des Monsters dröhnte in ihren Ohren und die kräftigen Bewegungen seiner Beine ließen den Boden erbeben.
„Rosie …“
Erst ein saftiger Tritt gegen den Hohlkörper in der Mitte brachte das Gerät zum Gurgeln. „Endlich!“
Rosie wuchtete das Ding mit beiden Armen hoch, stellte sich breitbeinig vor Zenya und zielte genau zwischen die gebogenen Hörner der Bestie. Lilafarbene Blitze entluden sich im Inneren des Staubsaugers, ein Geräusch wie von einem Mixer auf Hochtouren mischte sich unter das wissende Brüllen des Feindes. Und dann … löste sich ein mittelgroßer Gegenstand mit einem Plopp aus dem Inneren des Staubsaugers, raste mit Hochgeschwindigkeit auf die Bestie zu und prallte gegen den gepanzerten Kopf. Rosie und das Biest schauten dem Gegenstand gleichermaßen verblüfft hinterher, als er in den Himmel geschleudert wurde und irgendwo über ihnen zu einem winzigen Punkt schrumpfte.
„War das … ein Staubsaugerfilter?“, fragte Zenya mit bebender Stimme.
„Scheiße!“, fluchte Rosie und ihre Freundin brach in brüllendes Gelächter aus.
„Ahahaha, was mach ich nur mit dir!“
„Lauf!“, kreischte Rosie als Antwort, warf sich den Staubsauger am Gurt über die Schulter und gab Zenya einen kräftigen Schubs nach vorn.
Und so kam es, dass die beiden Hexen jede Chance auf einen vernünftigen Angriff verstreichen ließen und viel zu spät die Flucht vor dem gigantischen geschuppten Stier ergriffen, der bereits ein ganzes Dorf zertrümmert hatte.
Wäre Zenya jetzt stehen geblieben, hätte die Kreatur sie zerfetzt, bevor sie auch nur einen Finger hätte heben könne.
„Wo sind Zeph und Finn?“, keuchte Rosie mit hochrotem Kopf. Sie drohte, jeden Augenblick durch das Gewicht ihrer ungewöhnlichen Waffe vornüberzukippen und den steilen Hügel herunterzustürzen.
„Keine Ahnung“, rief Zenya, warf einen Blick über die Schulter und schoss probehalber einen funkensprühenden Angriff auf das Biest. Der lilafarbene Strahl, der normalerweise Zombies, Vampire, geringere Dämonen und sonstigen Mistviecher durchbohrte, prallte an der gesenkten Stirn des Stierwesen ab. „Wir könnten hier jedenfalls Hilfe gebrauchen! Entweder dieses Monster hat einen Drachen zur Mutter, oder mit meiner Hexenkraft geht es jetzt auch zu Ende.“
Hoffentlich nichts von beidem, dachte Rosie und wusste, dass ihre Beine diesen brutalen Abstieg nicht mehr lange mitmachen würden. Falls der sperrige Staubsauger sie nicht ohnehin gleich in die Knie zwingen würde.
Zenya streckte die langen Beine und sah sich hektisch nach Zeph und Finnley um.
Sollen die beiden Hilfe bekommen, oder müssen sie allein gegen den Stier kämpfen? – Antworten bitte nur über den Discord Server „Tintenzirkel“
Kapitel 2
Doch wohin sie auch schaute, von dem Zombie und ihrem fragilen menschlichen Anhängsel fehlte jede Spur. Sie fluchte leise.
„Du links, ich rechts“, rief Zenya Rosie zu. Diese versuchte zu nicken, doch ihr ganzer Körper bebte so heftig, dass es kaum zu erkennen war. „Wenn ich genug Abstand habe, … kann ich ihn … vielleicht besser angreifen“, ergänzte Zenya keuchend und schlug einen Haken nach rechts. Ihre Beine protestierten und sie musste sich mit einer Hand am Hang abfangen. Dann zwang sie sich zu einem Sprint und hörte das unzufriedene Brüllen des Monsters. Rosie hechtete in die entgegengesetzte Richtung davon und wie erhofft grub der Stier die Vorderhufe in die Erde, warf den Kopf hoch und hielt einen kurzen Moment inne – dann setzte er der kleineren Frau nach.
„Scheiße“, fluchte Rosie, die mit ihrem Staubsauger und den kürzeren Beinen noch nicht halb so viel Abstand zwischen sich und das Biest gebracht hatte wie Zenya. Lichtblitze tanzten vor Rosies Augen und sie verlangsamte ihr Tempo. Weglaufen brachte nichts. Sie schlug die Haken in den Boden, ließ den Gurt ihrer Waffe von der Schulter gleiten und drehte sich um. „Wenn du jetzt stehen bleibst, dann muss ich dir nicht wehtun“, murmelte sie, klappte die zwei Metallständer aus und platzierte den Lauf der Waffe. Natürlich kam das Monster ihrer Empfehlung nicht nach. Dafür blieb Zenya stehen, keuchte angestrengt und sammelte ihre Kräfte. „Ich mache dir jetzt Feuer unterm Hintern“, grummelte sie und setzte ihre Drohung mit einem funkensprühenden Strahl in die Tat um. Das Biest jaulte auf und warf abermals den gehörnten Kopf in die Höhe. Doch wieder wurde der lilafarbene Blitz einfach abgelenkt und schoss in die Wolken hinauf. Obwohl ein kleiner Brandfleck auf dem Hintern des Stiers schmorte, hielt er in seinem Marsch auf Rosie nicht inne.
„Verdammt, was soll das denn!“ Zenya versuchte einen anderen Angriff, der das Wesen in die linke Kniekehle traf. Dort schien die Panzerung weniger ausgeprägt und mit einem dumpfen Aufprall, der die Erde erzittern ließ, ging der Stier in die Knie. Zenya blieb nur eine Sekunde zum Durchatmen, dann sprang das Monster auch schon zurück auf die Beine. „Ach komm schon“, jammerte die Hexe und sprintete dem Monster nach.
Rosie rüttelte ein letztes Mal warnend an ihrem Staubsauger und warf sich dann auf die Knie. „Ich zerlege dich in alle Einzelteile, wenn du mich jetzt im Stich lässt“, knurrte sie und zielte auf das Gesicht des humpelnden und vor Zorn brüllenden Stiers. Alle üblichen Schwachstellen schienen für einen Angriff auszuscheiden, aber vielleicht …
Bevor Rosie den Abzug betätigen konnte und ein Ziel ins Visier genommen hatte, löste ihre Waffe mit einem lauten Heulen aus. Wuiiiiiiiiihhh – ein grüner Lichtstahl sauste durch die Luft, drehte einen neckischen Looping und zischte dann in das offenstehende Maul des Stiers.
Ein ohrenbetäubendes Brüllen erfüllte die Luft und jagte die Vögel aus den entfernten Wipfeln des Waldes empor. Rosie warf sich auf ihre Waffe, schlang die Beine um sie und rollte sich aus dem Weg. Sie schmeckte Gras, Deck und etwas Blut im Mund, doch endlich kam sie zum Liegen und das dröhnende Schreien des Monsters nahm ein Ende.
Sie blinzelte, sah in den Himmel hinauf und hörte das Pochen ihres Pulses in den Ohren.
„Rosie!“ Zenyas Stimme nährte sich und kurz darauf half ihr die Freundin in eine sitzende Position. „Alles in Ordnung?“
„Ganz toll“, erwiderte Rosie tonlos und spuckte Blut ins Gras. Dann wanderte ihr Blick zu dem zusammengesunkenen Stier, dessen Hörner das unschuldige Sonnenlicht reflektierten. Dampf stieg aus seiner Nase und sein massiger Brustkorb hob und senkte sich. „Du hast ihn betäubt“, stellte Zenya fest.
„Mhm“, machte Rosie und warf ihrem Staubsauger einen vorwurfsvollen Blick zu. „Hoffen wir, dass es hält, bis wir uns aus dem Staub gemacht haben.“
„Ach sieh mal einer an.“ Zenya richtete sich zu voller Größe auf und stemmte die Hände in die Seiten. „Da kommen unsere beiden Männer.“