Dieser Beitrag stammt aus einer Zeit vor meiner ersten Veröffentlichung, als ich am dritten Teil meiner Trilogie gearbeitet habe. Ich habe mich dazu entschlossen, ihn so zu lassen, wie er ist. Er wurde irgendwann 2019 geschrieben und 2020 hier hochgeladen.
Ich kann keine Geschichte am Computer planen, es kostet mich schon genug Nerven sie an einem zu schreiben. Dafür besitze ich einen ganzen Stapel Notizbücher. Außerdem habe ich seit zwei Jahren ein Whiteboard und davon möchte ich hier erzählen, weil mir damit bei Plot Problem die größten Durchbrüche gelingen. Das heißt, es geht hierbei nicht um den Plot eines gesamten Buches und das Finden einer Grundidee, sondern um größere Szenen oder mehrere Kapitel. Ich habe damit Teil drei meiner Fantasy Trilogie „über den Berg“ gebracht, als ich nach 150 Seiten eine heftige Schreibblockade hatte und sich Ratlosigkeit aufgrund der Handlung eingestellt hatte.
Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung ob diese Methode überhaupt eine richtige Methode ist. Ich wurde schon darauf hingewiesen, dass „Drei-Spalten-Methode“ nicht sehr literarisch klingt. Auch „Lückenbüßer-Methode“ wurde nur belächelt. Also ist es bis jetzt noch eine namenlose Vorgehensweise.
Darum geht es:
Ich zeichne drei Spalten auf mein Whiteboard. Links und rechts eine schmälere und in der Mitte eine breitere. Für jede Seite benutze ich eine andere Farbe.
Dann überlege ich, was ist eigentlich mein Problem? Je länger ich darüber nachdenke, desto eher finde ich eine ganze Menge an Probleme. Die werden alle auf die linke Seite geschrieben.
Wie kommt Person A nach Ort B?
Weshalb spricht Person X plötzlich Person Y an?
Warum zum Teufel sollte es mitten im Sommer schneien?
So schwer so gut. Wenn man sich bewusst gemacht hat, woran es eigentlich hakt, dann hat man schon den halben Weg hinter sich. Oder in diesem Fall ein Drittel.
Ich schreibe all meine Fragen in diese linke Spalte, ungefiltert wie bei einem Brainstorming.
Dann mache ich mir klar, was ich unbedingt haben will und schreibe es in die rechte Spalte. Es muss zu diesem Zeitpunkt noch keinen Sinn ergeben.
Person A muss an dem Tag schlechte Laune haben!
Person Y muss am Ende des Festes eingeschlafen sein.
Die Plätzchenbäckerei fliegt am Ende in die Luft.
Seine Wünsche aufzuschreiben fällt da meist leichter. Mir kommen auch beim Aufschreiben schon neue Idee über Szenen, die ich gerne in dem Buch haben möchte und notiere sie ebenfalls untereinander. Dann kommt der schwierigste Teil: die mittlere Spalte.
Wie finde ich eine Lösung der Probleme in der linken Spalte und erfülle gleichzeitig all meine Wünsche in der rechten Spalte?
Person A muss mit einem Luftschiff reisen und wird auf der Reise derartig seekrank, dass sie sich permanent übergeben muss. Person X sieht den schlafenden Y am Ende des Sommerfestes in einer Hängematte dösen und weckt ihn gerade noch rechtzeitig, bevor das Luftschiff die Plätzchenbäckerei rammt und diese in die Luft fliegt. Kokosflocken und Mandelsplitter rieseln auf die flüchtenden Gäste und ein betagter Herr in einem vorbeifliegenden Wetterballon meldet einen heftigen Schneeschauer.
Dieses Beispiel ist natürlich nur eine kurze Variante und selten lassen sich für Fragen und Wünsche eins zu eins Lösungen finden. Aber ich denke, die Funktion der mittleren Spalte wird deutlich. Sie ist im Grunde die „Füllung“. Die kann man nicht erzwingen. Entweder sie kommt, oder sie kommt nicht. Mir geht es meist so, dass mir irgendwann eine einzige Sache einfällt und dann platzen alle Knoten. Eines führt zum anderen und dabei hilft es mir, alles auf dem Whiteboard im Blick zu haben, während ich die mittlere Spalte runterschreibe. Dabei sortiere ich auch noch keine Ideen aus, ich muss erst mal alles in meinem Kopf loswerden.
Dann lehne ich mich zurück und sehe mir das vollgeschmierte Board an. Das muss erst einmal sacken. Einen Tag später schaue ich mir die Mitte genauer an und ergänze oder streiche Dinge mit einer vierten Farbe. Der Feinschliff. Diesen Schritt muss man auch nicht auf dem Whiteboard machen, aber ich mag es, alles darauf im Blick zu haben. Ich muss nicht fünf Notizbücher durchblättern, ich habe fünf Kapitel auf einem Board.
Alles was aufgeschrieben ist, ist für mich optional. Wenn ich davon überzeugt bin, schreibe ich es. Wenn ich es später nicht mehr mag, ändere ich es.
Das ist eine Einstellung, die ich anfangs nicht hatte und die mich in tiefe Schreibblockaden gestürzt hat. Da hatte ich so viel Energie in eine bestimmte Szene gesteckt und jetzt passte sie einfach nicht zu meinem gewünschten Verlauf. Also habe ich mir Tag um Tag den Kopf zerbrochen, wie ich den Verlauf der Geschichte dieser Szene anpassen konnte. Das ist genau falsch herum, zumindest wenn man wirklich vom Verlauf der Geschichte überzeugt ist. Die Szene wird einfach umgeschrieben.
Nichts was ich geschrieben habe ist in Stein gemeißelt. Seltsamerweise habe ich wirklich lange gebraucht, um zu erkennen, wie wandelbar mein Text ist und wie viel leichter mir die Ausarbeitung meiner Ideen fällt, wenn ich auch schon geschriebene Kapitel meiner neuen Idee anpassen kann.
So wird aus einer Aneinanderreihung vieler Ideen, eine große zusammenhängende.
Und wie bei einem Paar Schuhe das eingelaufen werden muss, wird der Text besser, wenn man ihn wieder und wieder liest, hinterfragt und verbessert. Während des Überarbeitens ist meine Hemmschwelle überschüssige Textpassagen zu löschen erheblich gesunken und so ähnlich geht es mir mittlerweile beim Aussortieren schlechter oder überflüssiger Ideen, auch wenn sie so gut zum bisher vorhandenen Text passen. Natürlich kann ich mich nicht von allen Ideen trennen, aber ich habe gelernt, nicht alles in meine Geschichte hineinzustopfen, was gerade meine Begeisterung erweckt. Und wenn ich doch unbedingt eine Szene loswerden muss, obwohl ich weiß, dass sie nicht zum Verlauf der Geschichte passt?
Dann schreibe ich sie trotzdem. In ein leeres Dokument ohne Vergangenheit und Zukunft, einfach nur die Szene, die mir gerade Spaß macht.
Manchmal fällt es mir danach ganz leicht, mich von der Idee zu trennen, aber manchmal finde ich auch beim Schreiben einen Weg sie doch zu verwendenden. Es wäre toll, wenn es eine bessere Anleitung für gute Ideen gäbe, doch zumindest meine machen einfach was sie wollen.
Sie überfallen mich manchmal, wenn ich sie herbei zwinge und ein Whiteboard anstarre, aber sie kommen auch, wenn ich mir hundemüde die Zähne putzen will.
Ich kann sie nur ein wenig sortieren und ausarbeiten.
© Leslie Meilinger 2020